Hauptschaltleitung

Systemstabilität

Stabile Netze sorgen für eine zuverlässige Stromversorgung

Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) untersuchen im Netzentwicklungsplan Strom (NEP), welcher zusätzliche Übertragungsbedarf im deutschen Stromnetz besteht. Sie stellen damit sicher, dass auch in Zukunft genügend Transportkapazität zur Verfügung steht, um jederzeit den Strom sicher von den Erzeugungs- in die Verbrauchszentren zu transportieren.

Doch nicht nur der Übertragungsbedarf ändert sich durch die Energiewende, auch die Anforderungen an das Netz unterliegen einem Wandel. Das liegt zum Beispiel an der höheren Auslastung von Leitungen, einer stärkeren Einbindung in das europäische Stromnetz, größeren Schwankungen bei der Erzeugung und dem Wegfall von konventionellen Kraftwerken.

Damit das Stromnetz auch in Ausnahmesituationen stabil ist, untersuchen die Übertragungsnetzbetreiber die Belastbarkeit des Systems in den Zieljahren des Netzentwicklungsplans. Dazu werden der Normalbetrieb und mögliche Störfälle modelliert und es wird geprüft, ob Spannung, Frequenz und Stromflüsse – drei wichtige Kenngrößen für die Stabilität des Wechselstromnetzes – innerhalb der zulässigen Grenzen bleiben.

Die stabile Stromübertragung ist von mehreren Faktoren abhängig. Die Spannung muss zwischen den Netzknoten in den zulässigen Grenzen bleiben, die Frequenz stabil um den Wert 50 Hertz muss zu jedem Zeitpunkt gehalten werden neben vielen anderen Maßnahmen und die Synchronität der Generatoren auch im Störfall erhalten bleiben. Damit das Stromsystem sich so verhält, werden sogenannte Blindleistungskompensationsanlagen benötigt.

    Blindleistung wird benötigt, um Wirkleistung zu transportieren

    Damit Energie in einem Wechselstromnetz übertragen werden kann, braucht es Blindleistung für den Spannungsaufbau. Die Wirkleistung, die tastsächlich beim Verbraucher ankommt, sollte dabei immer im richtigen Verhältnis zur Blindleistung stehen. Ansonsten drohen Frequenzstörungen. Im Wechselstromnetz dient Blindleistung dazu, die elektrischen und magnetischen Felder, die mit einer Frequenz von 50 Hertz ihre Richtung wechseln, auf- und abzubauen. Die Blindleistung ist somit für Spannungsaufbau und Spannungshaltung im Stromnetz unverzichtbar und  im übertragenen Sinne das "Schmiermittel" für einen reibungslosen Netzbetrieb. Ohne diese Blindleistung könnte keine Wirkleistung transportiert werden, die von Verbrauchern verwendet wird.

    Konstante Spannung dank Blindleistung

    Mithilfe von Blindleistung wird die Spannung im Übertragungsnetz gesteuert. Durch kapazitive Blindleistung wird die Spannung erhöht, durch induktive Blindleistung wird sie gesenkt. Die Verbraucher und, je nach Lastfluss, auch das Stromnetz selbst, stellen induktive Blindleistung bereit und senken damit die Spannung im Übertragungsnetz. Um diese dennoch konstant zu halten, wird kapazitive Blindleistung zum Ausgleich benötigt. Blindleistungskompensation ist also nötig, um beide Einflüsse in der Balance und so die Spannung konstant zu halten.

    Kapazitive und Induktive Blindleistung

     

    Hohe Auslastung sorgt für größeren Blindleistungsbedarf

    Die Leitungen des Übertragungsnetzes erzeugen im Betrieb selbst Blindleistung. Abhängig von ihrer Auslastung, erzeugen sie entweder kapazitive oder induktive Blindleistung. Ist die Leitung unterhalb ihrer natürlichen Leistung ausgelastet, erzeugt sie kapazitive Blindleistung. Liegt der Lastfluss darüber, erzeugt sie induktive Blindleistung und senkt somit die Spannung im Netz. Das bedeutet: Je höher eine Leitung belastet wird, desto mehr kapazitive Blindleistung ist zum Ausgleich nötig, um die Spannung konstant zu halten.

    Regionaler Einsatz

    Blindleistung muss regional bereitgestellt werden, um die Spannung im Netz zwischen den Netzknoten auf dem gleichen Niveau zu halten. Sie kann daher nicht über weite Strecken transportiert werden.

    Herausforderungen durch die Energiewende

    Durch die Energiewende erhöht sich der Gesamtbedarf an Blindleistung. Gleichzeitig werden mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke, die Blindleistung als Nebenprodukt mit bereitstellen, stillgelegt. Aufgrund der schwankenden Erzeugung erneuerbarer Energien muss Blindleistung außerdem innerhalb sehr viel kürzerer Zeiträume bereitgestellt werden.

    Höherer Transportbedarf führt zu höherem Blindleistungsbedarf

    Die Stromerzeugung verlagert sich durch die Energiewende weiter weg von den Verbrauchszentren. Dadurch steigt der Transportbedarf im Netz insgesamt und somit auch der Bedarf für Blindleistungskompensation.

    Höhere Netzauslastung führt zu höherem Blindleistungsbedarf

    Ein wichtiger Teil der Netzoptimierung ist die höhere Auslastung bestehender Leitungen. Dadurch soll der Netzausbau möglichst vermieden oder möglichst gering gehalten werden.

    Durch die höhere Auslastung von Leitungen wird jedoch auch mehr kapazitive Blindleistung benötigt, da der Blindleistungsbedarf mit höherer Auslastung der Leitungen exponentiell steigt.

    Blindleistungsbedarf

     

    Weniger konventionelle Kraftwerke bedeuten weniger Blindleistung

    Bisher wurde insbesondere kapazitive Blindleistung oft von konventionellen Kraftwerken bereitgestellt. Im Zuge der Energiewende fällt jedoch ein Großteil der konventionellen Energieerzeugung weg, wodurch es weniger Anlagen zur Bereitstellung von Blindleistung gibt.

    Der Wegfall dieser Reserven muss durch Kompensationsanlagen ersetzt werden.

    Laständerungen bedeuten einen höheren Bedarf an dynamischer und regelbarer Kompensation

    Viele erneuerbarere Energien arbeiten wetterabhängig. Somit ändern sich Wirkleistungsflüsse im Netz mitunter sehr schnell. In solchen Fällen muss auch die Blindleistung schnell verfügbar sein und die Blindleistungskompensation zunehmend dynamisch erfolgen.

    Die Stabilität des Netzes hängt wesentlich von der Blindleistung ab. Da diese nur noch eingeschränkt aus konventionellen Erzeugungsanlagen zur Verfügung steht, müssen spezielle Anlagen im Übertragungsnetz die nötige Blindleistungskompensation leisten. Hierfür gibt es eine Reihe technischer Möglichkeiten, von denen einige hier dargestellt werden:

    Statische Blindleistungskompensation:

    MSCDN (Mechanically Switched Capacitators with Damping Network) sind Kondensatoren, die kapazitive Blindleistung bereitstellen. Sie kommen beispielsweise bei stark ausgelasteten Leitungen zum Einsatz, um die Spannung zu erhöhen.

    Drosselspulen werden eingesetzt, um induktive Blindleistung bereitzustellen und bei niedriger Auslastung der Leitungen die Spannung zu senken.

    Diese Spulen und Kondensatoren werden meist manuell geschaltet. Sie werden in der Regel präventiv zum Ausgleich von längerfristigen Schwankungen der Spannung eingesetzt. So senken Drosselspulen beispielsweise nachts die Netzspannung, wenn die Leitungen unterhalb ihrer natürlichen Leistung betrieben werden und dadurch kapazitive Blindleistung erzeugen. MSCDN kommen dagegen tagsüber zur Erhöhung der Spannung bei hohem Lastfluss zum Einsatz.

    Dynamische und regelbare Blindleistungskompensation:

    SVC (Static VAR Compensator) werden zur stufenlosen Blindleistungskompensation eingesetzt und können sowohl kapazitive als auch induktive Blindleistung liefern.

    STATCOMs (Static Synchronous Compensators) werden wie SVCs zur stufenlosen Blindleistungskompensation eingesetzt.

    Rotierende Phasenschieber sind Synchronmotoren, die dynamisch Blindleistung zur Verfügung stellen können. Sie dienen zum Teil als Ersatz der entfallenden rotierenden Massen aus der konventionellen Erzeugung.

    HGÜ-Konverter können ebenfalls regelbare Blindleistung bereitstellen. Da Blindleistung jedoch nur lokal genutzt werden kann, ist der Einsatz auf das Netz in der Nähe des jeweiligen Konverters beschränkt.

    Dynamische und regelbare Kompensationsanlagen spielen eine zunehmend wichtige Rolle, weil sie auch kurzfristige Schwankungen ausgleichen können und damit insgesamt stabilisierend auf das Netz wirken.

    Die Blindleistung wird in der Einheit VAr (Volt Ampere reactive) angegeben. Der Ausbaubedarf für Blindleistungskompensationsanlagen wird im NEP 2030 (2019) (Szenario B 2035) mit 38,1 - 74,3 GVAr für Deutschland beziffert. Das entspricht nach aktuellem Stand der Technik (300 MVAr/Anlage) einem Zubau von 127 - 248 Anlagen.

    Zubaubedarf

    Your transmission system operators