Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung für den Stomerzeugungsmarkt in Deutschland. Sie besitzen mit 16 % einen relativ hohen Anteil an der jährlichen Nettostromerzeugung, und durch die Wärmeerzeugung ist ihre Flexibilität limitiert. Der Kraftwerkseinsatz dieser Anlagen ist daher in besonderer Weise zu modellieren. KWK-Anlagen werden in BID3 in industrielle Anlagen (Prozesswärme) und Fernwärmeanlagen (Heißwasser für öffentliche Versorgung) unterschieden.
Sämtliche KWK-Anlagen >10 MW wurden individuell modelliert, um anlagen- und technologiespezifische Randbedingungen zu berücksichtigen; kleinere Kraftwerke (<10 MW) wurden zu Gruppen je Brennstofftyp aggregiert. Größere und modernere KWK-Anlagen sind oft primär stromgeführt, da sie auch oberhalb des extern notwendigen Strom-/Wärme-Verhältnisses produzieren, sofern dies profitabel ist. Weniger flexible KWK-Anlagen (z. B. Gegendruck-Dampfkraftanlagen) und sehr kleine Einheiten (<10 MW) folgen in ihrer Erzeugung lediglich dem stündlichen Wärmebedarf, d. h. sind wärmegeführte KWK-Anlagen.
Bei der Modellierung von industriellen Anlagen wurde die Prozesswärmbereitstellung durch ein für industrielle Bedürfnisse typisches Wärmelastprofil abgebildet. Diese externe Nachfrage nach Wärme muss auf stündlicher Basis vom Kraftwerk befriedigt werden. Die Betriebsprofile für Fernwärme-KWK-Anlagen wurden basierend auf dem von der Außentemperatur abhängigen Raumwärmebedarf jedes Bundeslandes entwickelt. Dafür wurden effektive Tagestemperaturen des historischen Wetterjahres 2011 verwendet und die nationale Wärmeproduktion in Fernwärme-KWK-Anlagen des Jahres 2011 auf 2024 bzw. 2034 projiziert. Dies geschah anhand des Kapazitätszubaus von Fernwärme-KWK-Anlagen (in MWth) in den einzelnen Szenarien. Die Tabelle „Jährlicher Fernwärmebedarf aus KWK-Kraftwerken in Deutschland“ zeigt den verwendeten Fernwärmebedarf aus KWK-Kraftwerken in den vier Szenarien.
Skaliert auf den zukünftigen nationalen Fernwärmebedarf, wurden die temperaturabhängigen Wärmenachfragen pro Bundesland unter Berücksichtigung der thermischen Kapazitäten und des Brennstofftyps den einzelnen Fernwärmekraftwerken zugewiesen. Aus diesen täglichen Betriebsprofilen wurde anschließend ein stündliches Profil für jedes Kraftwerk entwickelt, das die tageszeitlich unterschiedliche Erzeugung geeignet berücksichtigt. Für Kohlekraftwerke variiert das Wärmelastprofil zwischen 1.000 und 2.700 Volllaststunden, bei Gas-Fernwärmekraftwerken zwischen 1.000 und 3.800 Volllaststunden. Wie auch im NEP 2013 wurden die Volllaststunden der Gas-KWK-Anlagen mit dem Netzentwicklungsplan Gas abgeglichen.
Sofern bereits Ersatzkessel zur Wärmeerzeugung in Kraftwerken bestehen, wurden diese in der Modellierung auch berücksichtigt. Die externe Wärmenachfrage kann durch den Betrieb des Ersatzkessels befriedigt werden und damit eine unrentable Stromerzeugung bei geringen Strompreisen verhindern.
Technische Charakterisierung der KWK-Kraftwerkstypen
Alle in der Kraftwerksliste als KWK-Anlagen identifizierten Kraftwerke wurden anhand ihrer technischen Charakteristika in verschiedene Kategorien eingeteilt und im Modell dementsprechend abgebildet (Datenbasis hauptsächlich AGFW - Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V.: AGFW – Hauptbericht 2011). Diese Basisdaten gaben Aufschluss über Anlagetypen, typische Betriebsabläufe, technische Einschränkungen und das Verhältnis zwischen Wärme- und Stromproduktion. Die folgenden Parameter wurden diesbezüglich in der Modellierung jeder KWK-Anlage in BID3 berücksichtigt:
- Cb: produzierter Strom pro Einheit produzierter Wärme (als Konstante angenommen)
- Cv: Verlust an produziertem Strom pro Einheit produzierter Wärme bei fixiertem Brennstoffeinsatz (als Konstante angenommen)
- Gegendruckturbinen- oder Entnahmekondensations-Anlagen: die Fähigkeit bei gleichbleibender Wärmeproduktion zusätzlichen Strom zu erzeugen
- Ersatzkessel: Ersatzkessel erlauben die Befriedigung des Wärmebedarfs, ohne die gesamte KWK-Anlage zu betreiben
Jedes KWK-Kraftwerk besitzt ein Wärmelastprofil, welches die minimal produzierte Erzeugung in jeder Stunde des Jahres bestimmt. Die exakte Menge produzierter Elektrizität hängt vom Parameter Cb des einzelnen Kraftwerkes und des stündlichen Wärmebedarfs ab. Weniger Elektrizität zu produzieren ist nur möglich, wenn ein Ersatzkessel installiert ist. Entnahmekondensations-Anlagen können mehr Elektrizität erzeugen als zur Befriedigung einer gleichbleibenden Wärmelast erforderlich wäre. In diesem Betriebsmodus werden die marginalen Zusatzkosten durch die elektrische Effizienz der Anlage bestimmt. Wird nun Energie abgezogen, um dem Wärmebedarf zu begleichen, ist weniger Dampf für den Turbinenbetrieb vorhanden und die Anlagenkapazität nimmt ab. Die Höhe dieses Kapazitätsverlustes ist von der Beziehung zwischen dem Wärmebedarf in der betrachteten Periode einerseits und den Parametern Cv and Cb andererseits abhängig.
Modellierung des temperaturabhängigen Wärmebedarfs für Fernwärme
Der Bedarf an Fernwärme wird von diversen Variablen bestimmt, insbesondere aber vom Wetter. Die Wärmenachfrage ist bei geringen Temperaturen höher, da Gebäudewärme im kühlen Umfeld schneller abgegeben wird. Darüber hinaus steigt der Wärmeverlust, je höher die Windgeschwindigkeiten und die Niederschläge sind und je weniger Sonneneinstrahlung ein Gebäude aufwärmt. Um genaue kurzfristige Prognosen (Day-ahead oder Week-ahead) zu erstellen, ist ein komplexer Ansatz mit einer Vielzahl von Variablen notwendig. Die Modellierung für den NEP 2014 ist jedoch eine langfristige Simulation. Daher wird der Wärmebedarf als Funktion der Temperatur modelliert.
Der tägliche Raumwärmebedarf wurde bis zu einer Schwellentemperatur als lineare Funktion effektiver täglicher Temperaturen modelliert. Nach Überschreiten der Schwellentemperatur ist der Raumwärmebedarf konstant. Dies entspricht der Annahme, dass sich der gesamte Raumwärmebedarf in eine temperaturunabhängige Grundlast und eine temperaturabhängige Komponente, welche nur ab einem gewissen Schwellenwert nachgefragt wird, unterteilen lässt. Dieser Ansatz ist adäquat, um saisonale Schwankungen und Heizgewohnheiten im Sommer und Winter zu berücksichtigen. Bei dieser Analyse wurden effektive Temperaturen verwendet. Diese Variable wird zu einem Anteil aus der Temperatur eines gegebenen Tages und zu einem Anteil aus der Temperatur des vorherigen Tages zusammengesetzt. Diese Vorgehensweise reflektiert die thermische Trägheit von Gebäuden, d. h., der heutige Wärmebedarf wird auch von der Temperatur des vorherigen Tages beeinflusst.
Die Berücksichtigung einer Schwellentemperatur resultiert daher, dass Heizsysteme bei Erreichen einer bestimmten Temperatur ausgeschaltet werden und der Bedarf für Raumwärme somit auf null fällt. Nichtsdestoweniger besteht weiterhin ein minimaler Wärmebedarf, welcher unabhängig von der Außentemperatur in Fernwärmesystemen aufgrund der Warmwassernachfrage vorhanden ist. Die dargestellten Parameter wurden für den NEP 2014 folgendermaßen definiert:
- Schwellentemperatur: Die Schwellentemperatur wurde bei 16o C festgesetzt. Diese wurde mit Hilfe von täglichen Wärmedaten zentraleuropäischer Märkte berechnet.
- Grundlastwärme: Die temperaturunabhängige Grundlast entspricht 10 % des gesamten Raumwärmebedarfs.
- Effektive Temperaturgewichtung: Basierend auf der Analyse zentraleuropäischer Märkte wurde die Temperatur des vorherigen Tages mit einer Gewichtung von 30 % berücksichtigt.
Für die Modellierung wurden die historischen effektiven Tagestemperaturen des Jahres 2011 an jeweils einem repräsentativen Standort in jedem der 16 Bundesländer und die jährliche gesamte Wärmenachfrage der Bundesländer verwendet. Die Anwendung der linearen Raumwärmebedarf-/Temperatur-Funktion ermöglichte somit die Bestimmung des täglichen Wärmebedarfs in jedem Bundesland für das Wetterjahr 2011. Die Abbildung „Modellierter täglicher Wärmebedarf aus Fernwärme-KWK und effektive Tagestemperaturen für Deutschland im Jahr 2011“ veranschaulicht diese Beziehung zwischen effektiven Tagestemperaturen und täglichem Wärmebedarf. Der Wärmebedarf in den Bundesländern wurde dann unter Berücksichtigung thermischer Kapazitäten und technologischer Spezifikationen in Wärmelastprofile für einzelne Fernwärmekraftwerke aufgeteilt, sodass der Wärmebedarf an jedem Tag des Jahres befriedigt ist. Da sich die installierte Kapazität von Fernwärmekraftwerken in Abhängigkeit der Szenarien verändert, variiert folglich auch der Wärmebedarf in jedem Szenario.