Modellierung der KWK-Erzeugung (zu Kapitel 2.2 und 3.2.3)

Kraftwärmekoppelungsanlagen (KWK-Anlagen) sind aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung für den Stromerzeugungsmarkt in Deutschland. Sie besitzen bereits heute einen relativ hohen Anteil an der jährlichen Nettostromerzeugung. Durch ihre simultane Wärmeerzeugung ist die Flexibilität dieser Kraftwerke limitiert.

Der Kraftwerkseinsatz dieser Anlagen ist daher in besonderer Weise zu modellieren. KWK-Anlagen werden im verwendeten Modell in industrielle Anlagen (Prozesswärme) und Fernwärmeanlagen (Heißwasser für öffentliche Versorgung) unterschieden. Beide Kraftwerkstypen haben eine Wärmenachfrage, die in jeder Stunde des Jahres erfüllt werden muss.

Sämtliche KWK-Anlagen >10 MW werden individuell modelliert um anlagen- und technologiespezifische Randbedingungen zu berücksichtigen; kleinere Kraftwerke (< 10 MW) werden zu Gruppen je Brennstofftyp aggregiert. Größere und modernere KWK-Anlagen sind oft primär stromgeführt, da sie auch oberhalb des extern notwendigen Strom/Wärme-Verhältnis produzieren, sofern dies profitabel ist. Weniger flexible KWK (z.B. Gegendruck-Dampfkraftanlagen) und sehr kleine Einheiten (< 10 MW) folgen in ihrer Erzeugung lediglich dem stündlichen Wärmebedarf, d. h. sind wärmegeführte KWK-Anlagen.

Alle in der Kraftwerksliste als KWK-Anlagen identifizierten Kraftwerke werden anhand ihrer technischen Charakteristika in verschiedene Kategorien eingeteilt und im Modell dementsprechend abgebildet. Diese Basisdaten geben Aufschluss über Anlagetypen, typische Betriebsabläufe, technische Einschränkungen und das Verhältnis zwischen Wärme- und Stromproduktion.

Die folgenden Parameter werden diesbezüglich in der Modellierung jeder KWK-Anlage im  Modell berücksichtigt:

  • Cb Stromkennzahl: Produzierter Strom pro Einheit produzierter Wärme
  • Cv Stromverlustkennzahl:  Verringerung des produzierten Stroms pro Einheit produzierter Wärme bei fixiertem Brennstoffeinsatz
  • Gegendruckturbinen- oder Entnahmekondensationsanlagen

Bei der Modellierung von industriellen Anlagen wurde die Prozesswärmbereitstellung durch ein für industrielle Bedürfnisse typisches Wärmelastprofil abgebildet. Diese externe Nachfrage nach Wärme muss auf stündlicher Basis vom Kraftwerk befriedigt werden.

Die Entwicklung der von der Außentemperatur abhängigen Wärmelastprofile für Fernwärme-Kraftwerke wird in den folgenden Kapiteln detailliert erläutert.

    Jährlicher Raumwärmebedarf für Fernwärme-Kraftwerke

    Zur Entwicklung der Wärmelastprofile für Fernwärme-Kraftwerke wird der Raumwärmebedarf basierend auf den Tagestemperaturen des historischen Wetterjahres 2011 verwendet. Dazu wird die nationale Wärmeerzeugung in Fernwärme-Kraftwerke des Jahres 2011 auf 2025 bzw. 2035 projiziert. Dies geschieht anhand des Kapazitätszubaus von Fernwärme-Kraftwerken (in MWth) in den einzelnen Szenarien. Die Tabelle zeigt den verwendeten Fernwärmebedarf aus KWK-Kraftwerken in den NEP 2025 Szenarien.

    Ein Großteil der Fernwärme-Kraftwerke in Deutschland ist Teil eines Fernwärmenetzes. Im Rahmen des NEP 2025 wurde angenommen, dass alle deutschen Fernwärme-Kraftwerke zu einem größeren Fernwärmenetz gehören. Der ermittelte jährliche Fernwärmebedarf wurde daher für jedes Szenario auf Städte bzw. deren Fernwärmenetze anhand des Anteils der installierten Leistung von KWK-Kraftwerken in diesen Städten aufgeteilt. Es wurde angenommen, dass jeweils nur ein Fernwärmenetz pro Stadt existiert.

    In vielen Fällen ist die Wärmeleistung von Kraftwerken öffentlich verfügbar. Wenn Informationen nicht durch Recherche erhältlich sind (z. B. wenn es sich um ein Zubauprojekt handelt), wird die Wärmeleistung anhand der elektrischen Leistung und der Stromkennzahl bestimmt.

    Modellierung des temperaturabhängigen Wärmebedarfs für Fernwärme

    Der Bedarf an Fernwärme wird von diversen Variablen bestimmt, insbesondere aber vom Wetter. Die Wärmenachfrage ist bei geringen Temperaturen höher, da Gebäudewärme im kühlen Umfeld schneller abgeben wird. Darüber hinaus wird der Wärmeverlust größer je höher die Windgeschwindigkeiten, je höher die Niederschläge und je weniger Sonneneinstrahlung Gebäude aufwärmt.

    Um genaue kurzfristige Prognosen (Day-ahead oder Week-ahead) zu erstellen, ist ein komplexer Ansatz mit einer Vielzahl von Variablen notwendig. Die Modellierung für den NEP 2025 ist jedoch eine langfristige Simulation. Vor allem vor dem Hintergrund des unsicheren Einflusses von weiteren Faktoren wie der Entwicklung der Energieeffizienz und des Konsumentenverhaltens ist es sinnvoll den Wärmebedarf hier vereinfachend als Funktion der Temperatur zu modellieren.

    Der tägliche Raumwärmebedarf wird bis zu einer Schwellentemperatur als lineare Funktion täglicher Temperaturen modelliert. Nach Überschreiten der Schwellentemperatur ist der Raumwärmebedarf konstant. Dies entspricht der Annahme, dass sich der gesamte Raumwärmebedarf in eine temperaturunabhängige Grundlast und eine temperaturabhängige Komponente, welche nur ab einem gewissen Schwellenwert nachgefragt wird, unterteilen lässt. Dieser Ansatz ist adäquat um saisonale Schwankungen und Heizgewohnheiten im Sommer und im Winter zu berücksichtigen.

    Bei dieser Analyse werden effektive Temperaturen verwendet. Diese Variable wird zu einem Anteil aus der Temperatur eines gegebenen Tages und zu einem Anteil aus der Temperatur des vorherigen Tages zusammengesetzt. Diese Vorgehensweise reflektiert die thermische Trägheit von Gebäuden, d. h. der heutige Wärmebedarf wird auch von der Temperatur des vorherigen Tages beeinflusst.

    Die Berücksichtigung einer Schwellentemperatur resultiert daraus, dass Heizsysteme bei Erreichen einer bestimmten Temperatur ausgeschaltet werden und der zusätzliche Bedarf für Raumwärme somit auf null fällt. Nichtsdestoweniger besteht weiterhin ein minimaler Wärmebedarf, welcher unabhängig von der Außentemperatur in Fernwärmesystemen aufgrund der Warmwassernachfrage vorhanden ist.

    Die genannten Parameter werden für den NEP 2025 folgendermaßen definiert:

    • Schwellentemperatur: Die Schwellentemperatur wird bei 16o C festgesetzt. Diese wird mit Hilfe von täglichen Wärmedaten zentraleuropäischer Märkte berechnet.
    • Grundlastwärme: Die temperaturunabhängige Grundlast entspricht 9 % des gesamten Raumwärmebedarfs.
    • Effektive Temperaturgewichtung: Basierend auf der Analyse zentraleuropäischer Märkte wird die Temperatur des vorherigen Tages mit einer Gewichtung von 30 % berücksichtigt.

    Für die Modellierung werden die historischen effektiven Tagestemperaturen des Jahres 2011 an einem repräsentativen Standort in dem jeweiligen Fernwärmenetz und die jährliche gesamte Wärmenachfrage der Fernwärmenetze verwendet. Die Anwendung der linearen Raumwärmebedarf/Temperatur-Funktion ermöglicht somit die Bestimmung des täglichen Wärmebedarfs in jedem Fernwärmenetz für das Wetterjahr 2011. Die folgende Abbildung veranschaulicht diese Beziehung zwischen effektiven Tagestemperaturen und täglichem Wärmebedarf.

    Aus dem täglichen Wärmebedarf wird anschließend ein stündliches Profil entwickelt, dass die tageszeitlich unterschiedliche Erzeugung geeignet berücksichtigt. Es liegt nun ein stündlicher von der Außentemperatur abhängiger Wärmebedarf für jedes Fernwärmenetz vor.

    Fernwärmenetze

    Fernwärmenetze in Deutschland bestehen in der Regel aus Fernwärmekraftwerken, Heizkesseln und Spitzenkesseln. Die Aufgabe der Kessel ist typischerweise die Erzeugung von Grundlastwärme oder alternativ die zusätzliche Wärmeproduktion in Zeiten einer hohen Wärmenachfrage.

    Die Modellierung im NEP 2025 unterstellt, dass alle Fernwärmekraftwerke Teil eines größeren Fernwärmenetzes mit zusätzlichen Kesseln sind. Daher wird der Einsatz von Fernwärmekraftwerken unter der Berücksichtigung der Effekte von Kesseln simuliert. Die folgenden Annahmen werden getroffen um Kraftwerks- und Kesseleinsatz abzubilden:

    • Die Heizkessel stellen stets 25 % der Wärmenachfrage in jedem Fernwärmenetz bereit;
    • Wann immer die Heizkessel die gesamte Wärmenachfrage eines Fernwärmenetzes allein befriedigen können, werden diese in Präferenz zu Fernwärmekraftwerken benutzt. Diese Annahme schließt eine Stromerzeugung im Fernwärmekraftwerk nicht aus, zwingt dieses jedoch nicht zur wärmegeführten Produktion.
    • Da die Heizkessel eine Wärmegrundlast abdecken, können die Fernwärmekraftwerke im Sommer und in Perioden niedriger Wärmenachfrage abgeschaltet werden.
    • Wenn die Wärmenachfrage größer als die durch Heizkessel erfüllbare Grundlast ist, müssen die Fernwärmekraftwerke zusätzlich Wärme erzeugen um die gesamte Wärmenachfrage zu befriedigen.
    • In Zeiten sehr hoher Wärmenachfrage produzieren die Spitzenkessel zusammen mit den Fernwärmekraftwerken um die Spitzenwärmelast zu decken.

    Die Wärmenachfrage wird daher teils durch Fernwärmekraftwerke und teils durch Heizkessel und Spitzenkessel erfüllt. Das gewählte Mittel zur Deckung der Wärmenachfrage in jeder Stunde des Jahres hängt dementsprechend von der Höhe der Nachfrage ab.

    Wärmelastprofile

    Die Kombination der Wärmeerzeugung in Fernwärmekraftwerken und Kesseln stellt sicher, dass der Wärmebedarf in jeder Stunde des Jahres in jedem Fernwärmenetz erfüllt wird. Der stündliche Wärmebedarf je Fernwärmenetz wird anschließend unter Berücksichtigung der Wärmeleistung und technologischer Spezifikationen in Wärmelastprofile für einzelne Fernwärmekraftwerke aufgeteilt.

    Da sich die installierte Kapazität von Fernwärmekraftwerken in Abhängigkeit der Szenarien verändert, kann auch der Wärmebedarf aus Fernwärmekraftwerken in den Szenarien variieren (vgl. Tabelle “Jährlicher Fernwärmebedarf aus KWK-Kraftwerken in Deutschland“ ).

    Jedes KWK-Kraftwerk besitzt nun ein Wärmelastprofil, welches die minimal produzierte Erzeugung in jeder Stunde des Jahres bestimmt. Die folgende Abbildung zeigt ein typisches Wärmelastprofil für ein GuD-Fernwärme-Kraftwerk im Jahr 2025. Die saisonalen Veränderungen des Wärmebedarfs und der Einsatz von Heizkessel im Sommer sind klar zu erkennen. Für Kohlekraftwerke variieren die Wärmelastprofile zwischen 600 und 2.400 Volllaststunden, bei Gaskraftwerken zwischen 700 und 4.500 Volllaststunden.

    Die folgende Abbildung veranschaulicht das Wärmelastprofil dieses Gas-Kraftwerkes über einen Zeitraum von zehn Tagen. Es sind folgende Eigenschaften zu beachten:

    • Der Wärmebedarf führt dazu, dass das Kraftwerk seine Wärmeerzeugung bei einer Veränderung der Außentemperatur über einen Zeitraum von mehreren Tagen als auch untertäglich bei höherem Heizbedarf im Tagesverlauf anpasst.
    • An einigen Tagen ist der Wärmebedarf so hoch, dass das Kraftwerk mit seiner vollen Leistung im KWK-Betrieb läuft und zusätzliche Wärme von Spitzenkesseln erzeugt wird.

    In anderen Perioden, wie beispielsweise am Ende des zehnten Tages, ist der Wärmebedarf so gering, dass das Fernwärmekraftwerk nicht zur Produktion von Wärme laufen muss. Das Kraftwerk kann weiterhin Strom erzeugen, wenn dieser profitabel verkauft werden kann, es besteht aber kein Erzeugungszwang aufgrund der Wärmeauskoppelung.

    Die exakte Menge produzierter Elektrizität hängt von der Stromkennzahl des einzelnen Kraftwerks und dem stündlichen Wärmebedarf ab. Entnahmekondensationsanlagen können mehr Elektrizität erzeugen als zur Befriedigung einer gleichbleibenden Wärmelast erforderlich wäre. In diesem Betriebsmodus werden die marginalen Zusatzkosten durch die elektrische Effizienz der Anlage bestimmt. Wird nun Energie entnommen um dem Wärmebedarf zu begleichen, ist weniger Dampf für den Turbinenbetrieb vorhanden und die Anlagenleistung nimmt ab. Die Höhe dieses Leistungsverlustes ist von der Beziehung zwischen dem Wärmebedarf in der betrachteten Periode einerseits und den Parametern Cv and Cb andererseits abhängig.